Der Krönungsmantel

- ein einmaliger Auftrag

Im Mai 2011 erreichte uns ein Anruf mit einer ersten Kontaktaufnahme und einem Gespräch über eine evtl. Erstellung einer Kopie des Krönungsmantels des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
Aus Anlass der 850 Jahrfeier der Stadt Schwäbisch Gmünd ist geplant genau dieses Kleidungsstück neu zu erstellen. 


Die Aufgabe - Erstellung der Stickarbeiten für ein Replikat mit musealem Anspruch.


Erste Recherchen im Internet führten uns direkt zum Aufbewahrungsort des Originals im Kultur-Historischen-Museum (KHM) in Wien. Der Mantel befindet sich in der Weltlichen Schatzkammer der Wiener Hofburg und ist dort ausgestellt.
Vom KHM sind Aufnahmen des Mantels im Internet veröffentlicht und als Download verfügbar, ebenso mehr als beeindruckende Details zur Herkunft und Herstellung im Jahre 528 der islamischen Zeitrechnung. Der Mantel wurde demnach 1133/34 entsprechend dem Gregorianischen Kalender in der königlichen Werkstatt in Palermo geschaffen. Es handelte sich um die gleiche Werkstatt, in der die normannischen Könige von Sizilien traditionell ihren Repräsentativschmuck fertigen ließen. Eine Vielzahl von Künstlern und Kunsthandwerkern waren an diesem Kleidungsstück beschäftigt.
Es handelt sich um einen halbrunden Radmantel mit 342cm Durchmesser, der offen getragen wird. Das Grundmaterial ist rote Seide, reichlich mit Goldfäden bestickt, Einlegearbeiten aus Emailplättchen, verziert und umlegt mit Perlen, sowie einem Saumabschluss in ornamentaler Brettchenweberei.

(Bild1, ausgestellter Mantel in der Schatzkammer)


Das Motiv des Mantels ist wie folgt beschrieben; 
Die ornamentalen Stickereien sind Manifestationen königlicher Macht: zwei spiegelbildlich dargestellte Löwen, jeder ein Kamel schlagend. Zwischen den beiden Löwen erhebt sich eine stilisierte Palme in der Art eines Lebensbaumes. Die ursprünglich altorientalischen Motive wurden der islamischen Kunst entlehnt. Die genaue Bedeutung des Bildmotivs ist nicht geklärt. Bekannt ist, dass der Löwe oft zur Darstellung der Macht des Herrschers verwendet wurde und das Wappentier der Hauteville war, der normannischen Königsdynastie von Sizilien. Die meisten Deutungen gehen davon aus, dass die Löwen, die zwei Kamele schlagen, den Sieg der Normannen über die Sarazenen symbolisieren, die Sizilien zuvor beherrscht hatten. Dagegen spricht allerdings, dass die symbolische Darstellung der Araber oder des Islam als Kamel in mittelalterlichen Quellen nicht belegt ist. Vermutet wurden gelegentlich auch astrologische Zusammenhänge.
Dem Mantelsaum folgend, ist eine kufische Inschrift mit guten Wünschen für den Träger des Mantels aufgestickt.
Quelle: Wikipedia

Erste Gedanken und Ideen hinsichtlich der Herstellung mit heutiger Technik waren schnell gefasst. Die veröffentlichten Aufnahmen, sowie ein Ausdruck im Maßstab 1:1 des hochauflösenden Scans vom Museum zeigte jedoch, dass ohne eine Besichtigung des Originals keine endgültige Einschätzung und Beurteilung zur Machbarkeit möglich ist. 
Wir bekamen durch die sehr guten Verbindungen unseres Auftraggebers einen schnellen Kontakt zur Kuratorin der Weltlichen Schatzkammer und die kurzfristige Erlaubnis das Original in Wien in Augenschein zu nehmen.
Der Flug von Frankfurt nach Wien und das Hotel wurden ebenso schnell gebucht. Mit im Gepäck, die Informationen aus dem Internet, eine digitale Spiegelreflexkamera, ein lichtstarkes 60mm Makroobjektiv, Stativ, Blitz (sicher ist sicher) und jede Menge Proben und Farbmusterkarten aller uns bekannten Garnhersteller, sowie ein Notebook zur direkten Beurteilung der Qualität der Aufnahmen.


Die Schatzkammer
Die Schatzkammer in der Wiener Hofburg ist in die Weltliche und Geistliche Schatzkammer aufgeteilt. Die Weltliche gliedert sich in mehrere Abteilungen und ist Aufbewahrungsort verschiedener Insignien und Kleinodien. Der Krönungsmantel gehört neben der Reichskrone, der Heiligen Lanze und dem Reichschwert zu den bedeutendsten Ausstellungsstücken der Insignien des Heiligen Römischen Reichs. Sie stellen die Prachtstücke des Kronschatzes aus dem Mittelalter dar.
Aufnahmen mit Blitz waren nicht möglich, davon sind wir vorab schon ausgegangen. Aufnahmen mit Stativ sind nicht erwünscht, da auch hierfür ein generelles Verbot in der ganzen Schatzkammer gilt. Erste Probeaufnahmen zeigten in den fensterlosen und dunklen Räumen, dass eine Freihandfotografie bei 2-3 Sekunden Belichtungszeit nicht möglich ist. Einzige Lichtquelle ist das indirekte Kunstlicht innerhalb der Ausstellungsvitrinen. Selbst das menschliche Auge benötigt etwas Zeit um sich an die Lichtverhältnisse in den Museumsräumen zu gewöhnen. Nach Rücksprache mit dem Teamleiter wurde Ausnahmsweise der Benutzung eines Stativs zugestimmt.
Es folgte ein ganzer Tag Zeit für schematische Detailaufnahmen und Farbbestimmungen, begleitet von Gesprächen  mit dem Museumspersonal und einzelnen Museumsführern. Es wurden hierbei unterschiedliche Informationen und Ansichten zur Interpretation und Herstellung des Mantels ausgetauscht. 
Eine Öffnung der Vitrine und Beurteilung der Rückseite der Stickerei war leider unter Beachtung der Erhaltung des aktuellen Zustandes des Krönungsmantels nicht möglich. Oft lässt sich die endgültige Technik der Stickerei nur an Hand der Rückseite feststellen. 
Die Bestimmung der Farben war ebenfalls sehr schwierig. Garne und Farbkarten konnten nicht exakt unter dem gleichen Licht fotografiert werden wie der Mantel selbst, da er sich hinter einer Glasscheibe befindet. Ergänzend erfolgte eine subjektive Beurteilung der Farben. Im Zweifel dienten später ein Farbvergleich am PC durch Nebeneinanderlegung der fotografierten Farbkarten und der Mantelaufnahmen.

(Bild2, Detailaufnahme des Originals)

Erste Einschätzung - ja, das ist möglich. 
Durch die besondere Arbeitsweise bei der damaligen Herstellung ergibt sich eine machbare Rekonstruktion. Einzelne abgewetzte Stellen werden sinngemäß ergänzt. Eine gleichmäßigere Aufteilung und exakte Anpassung an einen Kreis haben wir verworfen, da dies zu sehr zu einer Verfälschung führen würde.
Auf Material wie im Original muss jedoch verzichtet werden. Durch die Detailaufnahmen hat sich herausgestellt, dass der Grundstoff tatsächlich ein Seidenbrokat ist (Kettfaden in naturfarbenen Leinen, Schuss in Seide). Diese Stoffe werden heute nicht mehr hergestellt. Es gibt nur noch einzelne Seidenbrokatwebereien in Norditalien. Die maximal machbare Stoffbreite liegt heute bei rund 80cm. Entsprechend dem Vorbild benötigen wir jedoch mindestens 175 cm.


Süßwasserperlen im passenden Farbton können beschafft werden. Echte Goldfäden gibt es nicht maschinenstickbar. Eine einzige Alternative wäre eine Stickerei mit normalem Stickgarn in möglichst ähnlichem Farbton und die anschließende Aufbringung von Blattgold oder Goldstaub. Es könnten aber auch heutige Lurexgarne im passenden Farbton und Garnstärke Verwendung finden. Gleiches gilt für die wenigen farbigen und gestickten Rosetten, hier verwenden wir passende Stickgarne in Viskose. Brettchenwebereien werden heute noch in mittelalterlicher Technik von einzelnen Personen hergestellt. Emailplättchen können ebenfalls repliziert werden.
Nach Rücksprache mit unserem Kunden erhielten wir von ihm Muster eines Seidenstoffes im Originalton, der bereits im Vorfeld angeschafft wurde. Da heute kein Brokat in der notwendigen Breite hergestellt wird, musste dies als Kompromiss hingenommen werden. Fraglich wären ohnehin die Herstellung des gleichen eingewebten Musters, sowie die Möglichkeit zur Einhaltung des Rapports über die gesamte Mantelfläche.

(Bild3, Brokatmuster)

Entsprechend unseren Erkenntnissen aus dem Besuch in Wien haben wir ein erstes Detail gepuncht und gestickt, sowie einen ersten Plan zur Herstellung des kompletten Mantels ausgearbeitet. Ein erster Besuch zur Abstimmung mit der Gewandmeisterei in Schwäbisch Gmünd wurde vereinbart.
Es folgten sehr interessante Gespräche mit Meinungen unterschiedlicher Spezialisten auf dem Gebiet der Stickerei, Konfektion und Quilttechniken. Viele ungeklärte Fragen und undeutliche, oder eventuelle falsche Interpretationen der im Vorfeld vorhandenen Aufnahmen und Beschreibungen konnten anhand unserer Makroaufnahmen auf den Grund gegangen und neu beurteilt werden. Hervorzuheben sind hier die schwarzen, genau genommen, die violetten Konturen und Schatten neben und teilweise unter der Stickerei. Nach einem regen Erfahrungsaustausch sind es Zeichnungen eines Heraldikers direkt auf dem Grundstoff, bzw. zur Hilfe genommene Konturfäden als Anhaltspunkt zur Einhaltung der Motive und Anordnung. Diese Konturen treten bei dem gesamten Mantel an wenigen Stellen ganz deutlich neben den Motiven oder weniger deutlich bis gar nicht hervor. Dies geschah vermutlich (und nachvollziehbar) weil das komplette Material über einen längeren Zeitraum bearbeitet wurde und damals, wie auch bei einer Produktion heute, einem Verzug durch die schwere Stickerei unterlag. Verwendet wurden hierzu offensichtlich schwarze Tusche, hergestellt aus Asche, die im Laufe der Zeit oxidierte, sowie dunkle und gut erkennbare Fäden.

(Bild4, Hilfslinien gemalt)

Indikatoren für den starken Verzug auch damals sind mehrere Nähte im Mantel, hier wurden offensichtlich entstandene Wellen und Blasen „herausgeschnitten“ um das Gewebe wieder begradigen zu können. Diese Stellen befinden sich nahezu mittig in waagrechter Lage, aber auch am geraden Saum im Rechten Winkel in die Mantelfläche hinein.
Interessant ist ein kleines, aufgesetztes Stück Stoff am Halssaum. Es liegt nahe, dass dieser Flicken schon damals während der Produktion aufgebracht wurde, da er sich unterhalb der Perlenschnüre befindet.
Der Halssaum selbst wurde ursprünglich in einer geraden Form gefertigt und erst vor dem Aufsetzen der Perlen in Falten gelegt um den leichten Bogen entstehen zu lassen.
… es war geradezu der Geist der Kunsthandwerker der königlichen Werkstatt aus Palermo zu spüren.

(Bild4a, Reparatur und Falten im Halssaum)

Der grobe Plan wurde gemeinsam verfeinert, Zuständigkeiten einzelner Spezialisten übertragen und uns der Auftrag für die Punch- und Stickarbeiten erteilt.


Es geht los…

Der Bauplan

​​​​​​​Den  kompletten Mantel in einem Stück zu sticken scheidet aus. Keine Stickmaschine hat ein entsprechendes Stickfeld. Außerdem ist bei der zu stickenden Fläche mit einem so grossen Verzug des Stoffes zu rechnen, so, dass ein maßgenaues Arbeiten nahezu ausgeschlossen ist. Das Motiv muss also aufgeteilt werden.
Hier hilft uns ein mehr als glücklicher Umstand. Einzelne Segmente sind jeweils mit einer mehrfachen Perlenschnur umlegt. Es bietet sich also geradezu an die einzelnen Teile separat zu sticken und später mit Hilfe der „Perlenkonturen“ auf einem kompletten Trägermaterial auf zu heften und zu befestigen.
Ausschlaggebend für die Grösse der Segmente sind das Stickfeld der zur Verfügung stehenden Maschine, sowie das Motiv selbst. Einige Teile lassen sich komplett fertigen. Manche Teile müssen trotzdem noch in der Maschine passgenau umgespannt und weitergestickt werden und andere Teile können nur nach dem Sticken zusammen gefügt werden. Es entsteht so ein, von seinen Ausmaßen her, gigantisches Puzzlespiel.
Leicht kann man hier den Überblick verlieren. Da mehrere Personen am Mantel arbeiten werden, ist ein Bauplan notwendig. Er dient nicht nur zur Orientierung, sondern ist zeitgleich ein Raster für verschiedene Arbeitsbereiche.
Eine sinnvolle Gliederung erschien uns eine Aufteilung in ‚Linke Hälfte’, ‚Rechte Hälfte’, ‚Mitte’, ‚ Saum mit Ornament’ und ‚Kufische Schrift’.
Die linke und rechte Hälfte muss, da es sich ja um eine Freihandzeichnung handelt, jeweils komplett erstellt werden. Ein einfaches „spiegeln“ an der Maschine scheidet aus, da beide Löwen und Kamele nicht bildgleich sind, sondern einfach nur optisch angeglichen wurden. Das zeigt sich besonders an den Ohren der Löwen, dem Maul des Kamels, den Ornamenten und einigen vielen kleinen Details. So zum Beispiel auch einer fast unscheinbaren, farbigen Rosette beim Ellenbogen des linken Löwen. Diese wurde beim rechten Löwen schlichtweg vergessen.

(Bild5, Bauplan)

Der Zuschnitt
Als die beste Lösung hat sich heraus gestellt den Grundstoff in doppelter Menge zu bearbeiten. Einmal wird er als komplettes Stück als Trägermaterial für die vielen Einzelteile verwendet. Dieses grosse Stück wird unterfüttert und in einem extra dafür gefertigten Holzrahmen eingespannt.
Der Rest des Stoffes wird in Segmente zugeschnitten. Der Zuschnitt erfolgt in der Gewandmeisterei entsprechend dem 1:1 Ausdruck des Originalmantels mit einer großzügigen Zugabe.
Eine Aufteilung der Zuschnitte erfolgt ebenfalls in Anlehnung zum Bauplan der Stickerei in Segmenten. Der Schnitt für die kufische Schrift wurde in 2 Teilen vorgenommen, also jeweils ¼ Kreis mit großzügiger Übergreiffläche um etwas Spielraum für etwaigen Verzug zu haben. Der Saum für die Ornamente ist in 3 Teile geteilt. Das sind die beiden geraden Stücke und der gebogen Halsausschnitt.
Die restlichen Stoffteile erhielten wir im Stück um sie entsprechend für die Stickereisegmente einteilen und um sie mit möglichst wenig Verschnitt verwenden zu können. Größte Sorgfalt wurde bei all diesen Arbeiten auf einen gleichmäßigen Fadenlauf verwendet um beim fertigen Mantel keine ungewollten Farbschattierungen in der Gesamtansicht zu erhalten. Das verwendete Gewebe hat eine Satin Bindung. Somit entsteht bedingt durch die langen Schussfäden bei Lichteinfall eine unterschiedliche Farbe durch Drehung des Stoffes. Dies ist kein Fehler oder Umstand, sondern der Effekt ist gewollt und wird als Gestaltungsmerkmal benutzt. Auch die Stickerei unterliegt mit verschiedenen Techniken, Sticharten und Stichlagen diesem Effekt. Dadurch entsteht beim Tragen des Mantels eine eigene „Lebendigkeit“ des Kleidungsstücks.

Das Punchen
Die Erstellung eines Stickprogramms zur Steuerung der Maschine wird von alters her „punchen“ genannt („punschen“ ausgesprochen). Dieser Ausdruck kommt tatsächlich aus dem Englischen für das Schlagen (punching), gemeint ist hier jedoch das Karten schlagen. Die ersten Stickautomaten waren rein mechanisch und wurden mit Jaquardkarten gesteuert. 
Trotz aller Modernisierung und Einführung von Computer, fachspezifischer Software und Schrittmotoren an den Maschinen wurde bisher an diesem alten Ausdruck fest gehalten.
Das Punchen stellt im Fall des Krönungsmantels eine besondere Herausforderung dar. Es musste auf eine nicht allzu gleichmäßige Arbeitsweise geachtet werden, da das Original von Hand gestickt wurde. Es musste eine ebensolche Stichart entwickelt und ausgetestet werden im Zusammenspiel mit dem dafür vorgesehenen Metallfaden (Lurexgarn). 
Mehrere Muster wurden ausgeführt und unser Kunde hat sich für eine besonders lockere und bewusst handwerkliche Optik entschieden.
Auf Besonderheiten, wie in kleinen Ornamenten zu sehen, wurde ebenfalls Rücksicht genommen. Hier wurden offensichtlich noch am Original Ideen zu Sticharten ausgetestet.
Ganz deutlich ist dies bei den Punkten im Leib der Kamele zu sehen.
Unterschiedlicher Auffassung von Arbeitstechniken und Sticharten waren sich ganz sicherlich die Personen, die die rechte und linke Hälfte des Lebensbaums erstellt haben. Die Fruchtansätze in der linken Hälfte haben eine der Form nach gedrehte Stichrichtung und auf der rechten Hälfte wurde eine gleichmäßige und gerade Stichlage eingehalten.
Vielleicht waren die ursprünglichen Hersteller auch einfach nur unter Zeitdruck und haben die weniger aufwändige Stichart bei der gespiegelten Seite verwendet. 
Ebenso ist es denkbar, dass Ornamente die frei gelassen erscheinen und komplett auf den Stoff gezeichnet wurden, später noch gestickt werden sollten. Auch hier könnte ein Termindruck (vielleicht auch Kostengründe?) eine Rolle gespielt haben. Das ist aber alles nur Spekulation und die waren Beweggründe werden in der Vergangenheit verborgen bleiben.

(Bild6, Detail der Ornamentik)

Das Punchen ging Segment für Segment von statten. Zum Abgleich wurden immer wieder die einzelnen Fotografien des Originals zu Rate gezogen. Die Fertigstellung der Stickprogramme zog sich über mehrere Wochen hin. Die einzelnen Segmente wurden zum anschließenden Aufbringen auf das Trägermaterial sinngemäß bezeichnet.
Um die Lage und Form der Perlenschnüre darzustellen, wurden tonig zum Gewebe Konturen mit Heftstichen eingearbeitet. Dies ist eine wesentliche Hilfe bei der manuellen Aufbringung der Perlen. Die Perlenschnüre wurden in zwei bis drei Lagen nebeneinander aufgebracht. Bei der dreilagigen Kontur werden kleinere Perlen verwendet. Scheinbar waren diese echten Perlen damals nicht alle komplett in einer annähernd gleichmäßigen Grösse zu bekommen und man hat sich auf diese Art beholfen.

(Bild7, Screenshot vom Stickprogramm)

Das Sticken
Um das Metallgarn möglichst gut verarbeiten zu können wurden spezielle Nadeln verwendet und die Fadenspannung sehr sensibel eingestellt. Als Stickrahmen wurde ein großer Bordürenrahmen verwendet, der eine Stickfläche von 450 mal 300mm hat. Dieser Rahmen erlaubt ein gleichmäßiges Spannen und durch seine rechteckige Form ein sehr gutes fadengerades Ausrichten. Das Gewebe wurde zur Stabilisierung mit einer Lage Vlies gemeinsam eingespannt.
Vergleichbar unproblematisch zu den größeren Teilen waren durch die guten Vorbereitungen die einzelnen separierten Segmente zu sticken. Schwieriger war es größere Teile als das Stickfeld zu erstellen. Hierbei musste erst ein Teil gestickt, der Stoff aus dem Rahmen wieder heraus genommen, fadengerade und passgenau neu eingespannt und direkt im Anschluss weiter gestickt werden.
Eine besondere Herausforderung war der runde Saum mit der kufischen Schrift. Es wurde ¼ Kreis Stück für Stück durchgeschleppt und immer wieder neu angesetzt. Das ergibt eine durchgehende Sticklänge von rund 270 cm. Der Zuschnitt war wegen dieser Besonderheit absichtlich länger um Spielraum für die Anpassung an den Mantel und den gesamten Fadenlauf zu haben.
Auch das Sticken war ein Zeitaufwand von mehreren Wochen, trotz dem Einsatz moderner und sehr schnell arbeitenden Maschinen.

(Bild8, Detailaufnahme in der Stickmaschine)

Sämtliche Punch- und Stickarbeiten konnten im Zeitplan erstellt werden. Die Übergabe erfolgte in den letzten Tagen des Dezember 2011 an die Gewandmeisterei in Schwäbisch Gmünd.


Auf einem Halbkreis von 340cm Durchmesser haben wir mit 2.134.000 Stichen folgende Mengen an Garnen verarbeitet, 20.000m Metallgarn/Lurex, 5.000m Rayon Garn, 22.500m Unterfaden.


Wir sind gespannt auf die weitere Verarbeitung des Mantels und freuen uns auf die Präsentation im Stadtmuseum in Schwäbisch Gmünd im Sommer 2012. Als Schlusswort möchten wir uns an der kufischen Schrift des Mantels orientieren. Eine mögliche Übersetzung lautet:

(Dieser Mantel) gehört zu dem, was in der königlichen Werkstatt gearbeitet wurde, in der das Glück und die Ehre, der Wohlstand und die Vollendung, das Verdienst und die Auszeichnung ihren Sitz haben, hier in der königlichen Werkstatt, die sich guter Aufnahme, herrlichen Gedeihens, großer Freigebigkeit und hohen Glanzes, Ruhmes und prächtiger Ausstattung und der Erfüllung der Wünsche und Hoffnungen erfreuen möge; hier, wo die Tage und Nächte im Vergnügen dahingehen mögen, ohne Ende und Veränderung; im Gefühle der Ehre, der Anhänglichkeit und fördernden Teilnahme im Glück und in der Erhaltung der Wohlfahrt, der Unterstützung und gehörigen Betriebsamkeit; in der Hauptstadt Siziliens im Jahre 528 der Hedschra.
Quelle: Wikipedia

Wir sind zwar nicht die königliche Werkstatt, hatten aber die Ehre nach so einem einzigartigen und geschichtsträchtigem Kleidungsstück ein Replikat anzufertigen. Dies ist ein Auftrag, der sicherlich sehr lange Zeit seinesgleichen suchen wird.

(Bild9, sortierte und gestickte Segmente)

Während der ganzen Herstellung hatten wir die einzigartige Gelegenheit in die Geschichte früherer Kunsthandwerker einzutauchen und deren Denken und Arbeiten nach zu vollziehen.

Dennis Ermert, embcon.de
Zitate aus Wikipedia
Bilder, Dennis Ermert